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Fritz-Wingen-Straße

Begnadeter Maler und Komponist - Tod im Konzentrationslager

Bei dem Namen "Wingen" denken heutige Kempener zumeist an eine hiesige Kaufmannsfamilie. Nur wenige wissen, dass sich dahinter auch ein begnadeter Kirchenmaler versteckt, dessen Werke auch heute noch als "genial" bezeichnet werden.

Am 14. Mai 1889 wurde Gottfried Wingen, der jedoch stets Fritz genannt wurde, in Holpe im Oberbergischen Kreis als eines von acht Kindern des Lehrers Josef Wingen und seiner Frau Bertha geboren. Die gesamte Familie zog im Mai 1908 vom Bergischen Land an den Niederrhein nach Kempen. Josef Wingen übernahm dort das Amt des Konrektors der Städtischen Knabenschule in der Rabenstraße. Schon früh hatte Fritz den Wunsch, als freier Künstler zu wirken. Doch die Eltern bestanden darauf, dass ihr Sohn einem "anständigen Broterwerb" nachgehen sollte. So trat er in des Vaters Fußstapfen und ließ sich im Königlich-Preußischen Lehrerseminar (dem heutigen Thomaeum-Bau) für den Beruf des Pädagogen ausbilden. Dieses Studium schloss er mit den besten Ergebnissen ab und trat im Alter von nur 20 Jahren seine erste Stelle als Lehrer in Wickrath-Hahn an, der eine weitere in Essen-Altenessen folgte.

Es war das Ziel des sehr gläubigen jungen Mannes, Zeichenlehrer an Höheren Schulen zu werden. Dazu war ein weiterführendes Studium in Düsseldorf erforderlich. Der Erste Weltkrieg machte diese Pläne zunichte. Statt mit Kunst musste er sich mit Kanonen befassen, bis ihn eine Kriegsverletzung 1915 von der Front verschonte. Zwar arbeitet er nach Kriegsende erst noch ein Jahr als Lehrer in Neuwerk bei Mönchengladbach, ließ sich dann jedoch 1920 als freischaffender Künstler nieder. Es war eine unsichere Existenz mit zahlreichen finanziellen Problemen. Er nutzte die Zeit jedoch für ein Weiterstudium an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Professor Wimmer.

Fritz Wingen war nicht nur ein ungewöhnlicher Maler und Bildhauer; er wurde auch als Organist und Komponist bekannt. Schon als Achtjähriger hatte er während des Gottesdienstes die Orgel gespielt; als Erwachsener komponierte er mehrere Messen. Mit einem achtzehnmonatigen Italien-Aufenthalt erfüllte sich für ihn der Traum vieler Maler. In dieser Zeit, so schreibt Jürgen Karsten im Heimatbuch 1985 des Kreises Viersen, "entstanden viele lichtstarke, farbfrohe Ölbilder. Ein Skizzenbuch zeigt Vorstudien zur Architektur und Landschaft des mediterranen Raumes, enthält aber auch flüchtig hingeworfene Skizzen zu den Menschen Italiens ... Blätter, die die zeichnerische Begabung Fritz Wingens eindrucksvoll belegen, aber doch nur Vorstufen sind auf dem Weg, einer der ganz Großen zu werden." Zurück in der Heimat, erhielt Wingen bald einen Großauftrag: Die Pfarrkirche Liebfrauen in Hamborn nicht nur auszumalen, sondern auch den Altarraum zu gestalten. Während er für die Kuppel farbenfrohe Gemälde im Stil italienischer Maler schuf, wählte er strenge Formen und klare Linien für den Altarraum. Es folgten Aufträge von Kirchen in Berlin und Potsdam, aber auch von weltlichen Institutionen wie dem damaligen Lyzeum in Kempen, für das er mehrere Fresken schuf. Im Haus seiner Eltern in der Siegfriedstraße entstand die eindrucksvolle Antoniusfigur.

Das Hitlerregime beendete Laufbahn und Leben des großartigen Künstlers. Seine Kritik, sein Widerstand hatten schlimme Folgen. Fritz Wingen erhielt schon 1933 Berufsverbot; 6 Jahre später schlossen ihn die Nazis aus der Reichskulturkammer aus. Nach zahlreichen Verhaftungen folgte schließlich 1942 in Krefeld ein Prozess, der ihn als "Staatsfeind" erst in das Konzentrationslager Sachsenhausen, von dort nach Lublin brachte. Noch im KZ modellierte er ein Kruzifix aus Wachsresten, das er anschließend malte. Am 23. Januar 1944 starb Fritz Wingen, wahrscheinlich in den Gaskammern der Nazis umgebracht, auch wenn als offizielle Todesursache "Herzschwäche" angegeben wurde.

Hier finden Sie ein Luftbild des GeoPortals der Stadt Kempen.

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